Steuerberaterin Evelyn Meier im Interview
Warum sind Sie Steuerberater geworden?
Mein Zahlenverständnis begann in frühen Jahren mit der Bilanzierung meines Taschengeldes. Alles rechnete ich exakt ab, um herauszufinden, ob ich mir neben einem neuen Schreibheft noch einen Zuckerzopf leisten konnte.
Der entscheidende Beweggrund Steuerberaterin zu werden, lag für mich darin, mehr wissen zu wollen. Statt an Grenzen zu stoßen, verschob ich die Grenzen lieber. Das hieß weg von Routinearbeiten, um eine erweiterte Sicht zu erlangen. Je höher man die Wissenspyramide erklimmt, desto lichter und übersichtlicher wird der Steuerdschungel. Mein persönlicher Anspruch war und ist, meine Arbeit zu hinterfragen, statt gedankenlos Vorgaben auszuführen. Frei nach Goethe: Ich wollte wissen, was die „steuerliche“ Welt im Innersten zusammenhält.
Was begeistert Sie an diesem Beruf?
Unternehmern fachlich mit Rat und Tat hilfreich zur Seite zu stehen – auf dem Erfolgsweg, aber auch in Krisenzeiten. Kunden langjährig in den verschiedenen Lebensphasen zu begleiten. Das ist es, was mich jeden Tag an meinen Schreibtisch zieht.
Das Zahlenwerk eines Unternehmens spiegelt dessen Geschäftstüchtigkeit wider. Für manche mögen es „graue Zahlen“ sein – für mich ist es das Spannendste überhaupt. Hier hat alles seine eigenen Spielregeln und Zusammenhänge. Dies zu entdecken, zu beeinflussen, aber auch mitzuwachsen ist meine persönliche und eine unendliche Aufgabe. Dem großen Vertrauen, das mir meine Kunden entgegenbringen, immer wieder aufs Neue gerecht zu werden, ist eine stete Herausforderung. Problemlösungen für sie zu entwickeln und gemeinsam anzugehen – das alles macht meinen Beruf aus – eine tägliche Berufung sozusagen.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Steuerrechts?
„Der Satz des Pythagoras umfasst 24 Worte, die Zehn Gebote 179 und allein der Paragraf 19a des deutschen Einkommenssteuergesetzes knapp 2.000 Worte.“, stellte einmal ein wichtiger Finanzmann fest.
In unserem Land zählen wir neben über 40 Steuerarten eine Vielzahl von Lenkungsnormen, Fördertatbeständen und Ausnahmeregelungen. Es werden immer mehr Betriebsprüfer beschäftigt, die wiederum jedes Jahr durchschnittlich 100.000 Euro pro Prüfung von den Unternehmen „erwirtschaften“. Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen macht sich diese Erkenntnis zunutze. Er will mindestens 200 neue Steuerprüfer einstellen und damit Mehreinnahmen in Millionenhöhe erzielen. Da fragt man sich doch, wohin das führt. Ist ein Gesetz effektiv und gerecht, das Korrekturen und ständige Nachbereitungen benötigt?
Solche komplizierten Gesetze blockieren Entwicklungen auf nationaler Ebene, aber auch den Fortschritt im Zuge von EU-Erweiterung und internationaler Prozesse. Warum ist es heutzutage so unendlich schwierig ein zugleich einfaches und gerechtes Steuersystem zu entwickeln? Auch Steuerberater sind durchaus daran interessiert, dass ihnen die fachliche Arbeit nicht durch immer wieder neue Systemwidrigkeiten und Komplikationen zum stetigen Hindernisrennen wird. Wie viele Menschen auch immer die Steuern steuern: Die Steuerberater sind diejenigen, die sich am meisten dabei anstrengen müssen.
Wir sollten unsere Ressourcen nicht verschwenden. Vielleicht dürfen wir irgendwann wirklich eine große tiefgreifende Steuerreform erwarten.